Die Welt wird kompliziert – das Microsoft Surface Studio

Wer sich über diesen Titel wundert: Ja, er ist kryptisch, aber er lässt sich erklären. Für mich als Apple-Fan war die Welt letztendlich immer leicht durchschaubar, sie bestand aus nur wenigen Schubladen: Apple gehörte in die weiße Schublade, Microsoft wurde in die schwarze Schublade gesteckt. Und jetzt? Microsoft hat ein Produkt vorgestellt, von dem ich finde, dass Apple es entwickeln hätte müssen; die Welt ist kompliziert geworden. Gut ist nicht mehr gut, und böse nicht mehr böse …

Bevor du weiterliest, solltest du dir erst mal das Produktvorstellungsvideo von Microsofts neuem Surface Studio anschauen (sofern nicht schon geschehen):

Und? Was hältst du davon? Lassen wir uns mal nicht davon ablenken, dass in dem Video einiges an der Art der Darstellung an Produktvideos von Apple erinnert … Was Microsoft mit seinem Surface Studio anbietet, ist schon genial – ich sage es ungern, aber es stimmt. Ein Computer im iMac-Format, der mit ein bisschen Kippen des Bildschirms zum Monster-iPad-Pro wird. Ich finde das wirklich innovativ, und ich kann mir vorstellen, dass das für Grafiker (ich bin keiner) extrem attraktiv ist.

Mich lässt das jedenfalls an so einigen Glaubenssätzen, die seit Jahren hinter Apples Ideen stehen, zweifeln. Welche Glaubenssätze ich meine?

  • Ein Mac ist ein Mac und ein iPad ist ein iPad.
  • Auf einem Mac läuft ein vollständiges Betriebssystem (neuerdings) namens macOS, auf dem iPad hat man ein abgespecktes Betriebssystem namens iOS.
  • Pencils und Touchdisplays haben auf einem Mac nichts zu suchen.

Ich frage mich schon, seit Microsoft die erste Version seines Surface herausgebracht hat, warum Apple nicht auf einem großen iPad Pro auch ein richtiges macOS laufen lassen kann. Die Hardware würde das locker schaffen. Ich mag ja iOS in vielem, aber seine Limitierungen regen mich einfach oft auch auf. Das betrifft das Fehlen eines ordentlichen und zugänglichen Dateisystem, das ich nach meinen Wünschen mit Ordnern gestalten kann. Das betrifft die Möglichkeit, eine Maus zu verwenden, die für manches einfach nach wie vor die beste Eingabemethode darstellt. Das betrifft ein ordentliches Multitasking, bei dem ich zahlreiche Programme nebeneinander laufen und beliebig am Bildschirm anordnen kann. Das betrifft eine Menüleiste, in der Programmfunktionen logisch geordnet untergebracht werden können.

Das ist bei weitem nicht alles, was mir in iOS fehlt, aber es sind ein paar der wichtigen Dinge, die zeigen, dass ein iPad mit seinem schrumpfOS kein vollwertiger Computer ist. Microsoft macht das anders. Und Microsoft hat recht. Ich will auch ein iPad, das unter macOS läuft. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn mein iMac und mein MacBook Pro auf Touchbefehle reagieren würde (wobei mir das weniger wichtig wäre).

Warum Apple das nicht macht? Ich vermute zwei Gründe. Grund 1 ist, dass man die oben einmal festgelegten Glaubenssätze nicht über Bord werfen will – man würde ja zugeben, dass man unrecht hatte. Grund 2 dürfte monetäre Gründe haben: Wenn es ein iPad mit macOS gibt, könnte ich mir ein MacBook Pro vielleicht sparen. Ein Gerät weniger verkauft …

Hm. Morgen gibt es neue MacBooks Pro – bis heute hab ich mich drauf gefreut (inzwischen weiß man ja, dass eine Magic Toolbar die Funktionstasten ersetzen soll). Aber Microsoft hat mir mit seinem Surface Studio gezeigt, dass Innovation heute anders aussieht, als Apple das gerade macht. (Die Zeit hat in einem Artikel auch schön beschrieben, dass Innovation nicht heißt, bewährte Dinge wegzulassen.)

Mein Weltbild ist jedenfalls erschüttert. Immerhin gibt es auch noch Dinge, die es aufrechterhalten. Jedes Mal, wenn ich mit Word oder wie die letzten Tage (zwangsweise, nicht freiwillig) mit PowerPoint arbeite, komme ich aus dem Meckern und Fluchen nicht heraus. Was sind das doch für unkomfortable und umständliche Programme. Wie gerne erstelle ich meine Präsentationen mit Keynote, wie gerne erstelle ich Texte mit Pages dagegen …

Aber mein schwarzes Microsoftbild bekommt Risse mit weißer Farbe … Und Apples Bild ist schon länger nicht mehr nur blütenweiß. Ts.

Ulf Cronenberg

P. S.: Ich kann es selbst nicht glauben: Ich habe indirekt einen Werbeartikel für ein Microsoft-Produkt geschrieben …

P. P. S. (29.10.2016): Die oben erwähnte Magic Toolbar des neuen MacBook Pro heißt nun offiziell „Touch Bar“.

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Was Apple und Firmen, die sich im Apple-Universum bewegen, so alles treiben, interessiert mich schon lange. Und ab und zu habe ich etwas dazu – wie zu einigem anderen, wenn es um Musik oder Fotografie geht – zu sagen …

9 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Wow … Das ist wirklich cool. Optisch gefällt es mir schon mal. Die Oberfläche macht auch einen guten Eindruck. Ein eigenständiges Produkt oberhalb des iPad – mit einem Touch Apple-Innovation. Und ja, so etwas möchte ich auch haben. Ich würde es nur nie von Microsoft kaufen. Egal, wie schick und innovativ das Produkt ist.

    Ach ja. Kleiner Nachtrag. Mit ausgestreckten Armen Zeichen stelle ich mir wenig komfortabel vor.

    Und noch ein Nachtrag: Das 4:3 Seitenverhältnis finde ich klasse! Mich nervt das aktuelle Seitenverhältnis bei Apple. Schön breit, aber zu wenig Höhe. Ich gucke am iMac doch nicht nur Filme. 🙁

  2. Hi Ulf, ich unterschreibe Deinen Artikel ohne Einschränkung! Sehr schön geschrieben und Recht hast Du. Viele Grüße, Markus

    • Schön, dass wir einer Meinung sind, Markus. Inzwischen sind die MacBook Pros bekannt gegeben – ja, nett. Aber was ist mit den Desktop-Profigeräten … Die Profis werden dann wohl von Microsoft und nicht von Apple bedient. Also echt. Und mal ehrlich: Ein MacBook Pro 15 Zoll kostet fast so viel wie das Microsoft Studio Surface Pro … Apple wird immer teurer.

  3. Hallo Ulf,

    ich habe meine Erfahrungen analog zu Deinem Artikel machen müssen. Wir nutzen in der Firma unter anderem Software, die unter OS X nicht stattfindet (für Ausschreibungen z.B. Benötigen wir eine GAEB-Schnittstelle und viele öffentliche Ausschreibubgsplattformen wissen gar nicht, dass es OS X gibt). Meist haben wir uns mit Parallels beholfen. Mit dem Surface sind nun einige Kollegen den Wechsel gewagt und ich muss sagen: Mit Windows 10 und dem Surface hat Microsoft ein schlüssiges Konzept, wie ich mir es von Apple gewünscht hätte. Aber hier steht sich Apple selbst im Weg, oder fürchtet zurecht, dass mit einem MacBook Touch (nenn‘ ich jetzt einfach mal so) die iPad-Verkäufe wegbrechen.

    Schade das Apple hier so geschlafen hat und nicht frühzeitig die Weichen richtig gestellt hat.
    Ähnlich sehe ich auch beim Surface Studio, auch hier hätte ich mir schon lange einen iMac mit Touchscreen gewünscht.

    Die neuen MacBooks, die heute vorgestellt wurden, finde ich jedenfalls sehr wenig aufregend, gibt anscheinend schon wieder ne neue Schnittstelle … So what?

    Apples Preispolitik kann ich schon länger nicht mehr nachvollziehen, denn „schöne“ Rechner können jetzt auch andere bauen.

    • Hallo Heiko,
      ja, das Surface-Konzept ist stimmig. Viele Kolleg/inn/en bei mir nutzen es auch – für die Schule ideal. Aber für mich kommt es dann doch nicht in Frage: Ich habe keine Lust, mich mit Windows 10 rumzuschlagen. Ich finde das Betriebssystem einfach nicht komfortabel – auch wenn es interessant wäre, nach nun 17 Jahren Windows-Abstinenz auf meinen Computern mal zu gucken, ob man in Windows inzwischen arbeiten kann, ohne nach einem guten halben Jahr spätestens das Betriebssystem neu aufzusetzen. Das war damals mit Windows NT und 2000 nämlich so …
      Viele Grüße, Ulf

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