Die österreichische Firma AKG, die inzwischen zur Harman-Gruppe gehört, hat einen langen und guten Ruf im Kopfhörer-Segment. Gegründet wurde AKG 1947 in Wien als „Akustische und Kino-Geräte Gesellschaft m.b.H.“ – aha, daher kommt das Firmenkürzel also … Der K702, nach dem Bowers & Wilkins P7 der zweite Kopfhörer im Ring, kostet deutlich weniger als der britische Konkurrent: nur knapp über 150 Euro. Zierlich und unauffällig ist er allerdings nicht: Da trägt man doch ein ordentliches Monstrum auf seinem Kopf.
Verarbeitung & Zubehör
Dass bei dem Preis nicht Leder und Aluminium wie beim P7, sondern vor allem Plastik und Kunstfaser zum Einsatz kommen, wundert einen nicht. Schlecht verarbeitet ist der K702 nicht, aber eben auch keine hochwertige Augenweide.
Typisch für AKG ist die automatische Größenanpassung über einen (hier) Kunstledergurt, der auf dem Kopf liegt, und der auf beiden Seiten an der Hörmuschel mittels zwei dehnbaren Gummibändern befestigt ist. Das funktioniert so weit ganz gut – je kleiner der Kopf, desto höher stehen eben die Oberbügel über dem Kopf. Dieses Großenverstellsystem hat AKG schon seit langem; mein geschätzt mehr als 20 Jahre alter AKG K401 hat im Wesentlichen schon das gleiche System, ich musste hier aber schon ein paar Klebestreifen anbringen. Aber nach mehr als 20 Jahren darf da schon mal was kaputt gehen … Und insgesamt schätze ich den K702 durchaus auch als langlebig ein – sofern man ein bisschen auf ihn Acht gibt.
Zum AKG K702 gehört folgendes Zubehör:
- ein solides, nicht zu dickes, nicht zu dünnes 3 Meter langes Kabel mit Mini-XLR-Stecker, der am Kopfhörer hängt, Miniklinke am anderen Ende
- ein Adapter von Miniklinke auf Klinke
Ja, und das war es auch schon. Kein Transportsäckchen oder -täschchen, kein zweites kürzeres Kabel. Das alles zeigt schon, wo hier die Richtung entlang geht: Der K702 ist nichts für unterwegs, auch nichts, um damit in der Wohnung herumzulaufen. Nein, das ist ein Kopfhörer für das Sofa, für den bequemen Sessel oder eben fürs Musikstudio. Wenn ich trotzdem mit dem K702 mal in der Wohnung unterwegs war, habe ich mich jedes Mal über das 3-Meter-Kabel geärgert. Ich hatte schon mal recherchiert, aber ein Kabel mit 1 bis 1,5 Meter gibt es bei AKG nicht – höchstens vielleicht bei Fremdherstellern. Das fand ich etwas ärgerlich. Das einzige andere Kabel ist ein 5m-Spiralkabel. Auch nichts für unterwegs. Ansonsten schon mal gut, dass das Kabel gewechselt werden kann.
Passform und Tragekomfort
Angesichts der Bauform gibt es einiges auf die Ohren, oder besser gesagt um die Ohren – im Gegensatz zum P7 dürften unter den Ohrmuscheln in offener Bauweise nur Dumbo-Ohren keinen Platz finden. Das schon erwähnte Größenverstellsystem funktioniert jedenfalls. Aufsetzen und gut. Da muss nichts nachgezogen oder -geschoben werden, und er sitzt sogar relativ fest auf dem Kopf. Erkauft wird dies eben mit den etwas monströs wirkenden Bügeln über dem Kopf.
Für den Test habe ich den K702 eigens länger mal beim Arbeiten am Schreibtisch aufgesetzt, und so richtig zufrieden bin ich mit dem Tragekomfort nicht. Nach einer guten Viertelstunde habe ich das nicht gepolsterte Kunstlederband am Kopfscheitel doch sehr deutlich gespürt, und auch die Ohrmuscheln lagen nicht mir so richtig bequem am Ohr. Der Druck, der dabei ausgeübt wird, ist gar nicht so groß (der B&W P7 packt da brachialer zu – wir wissen ja, dass britische Fußballer ihre Gegenspieler auch ordentlich in die Zange nehmen können); aber ich finde die Ohrpolster des K702 etwas zu hart und zu wenig geschmeidig. Sie schmeicheln sich nicht um das Ohr, sondern sitzen ohne große Formänderung auf.
Ehrlich, das finde ich eigentlich schon fast ein No Go: ein Kopfhörer für Zuhause oder fürs Studio, der nach 20 Minuten etwas lästig am Kopf wird. Der Ehrlichkeit halber sei da erwähnt, dass ich hier vielleicht empfindlicher als manch anderer sein dürfte …
Der Klang
Man glaubt es kaum: AKG preist den K702 auf seiner Webseite als „ohrumschließender Referenz Studio Kopfhörer in offener Bauweise für genaues Horchen, Mischen und Mastern“ an (dass man „Studio-Referenz-Kopfhörer“ mit Bindestrichen schreibt, darüber sehen wir mal hinweg) – also als ein Profiwerkzeug! Angesichts des Preises hat mich das doch überrascht. Solche Prädikate vergibt man doch eigentlich an seine teuersten Modelle …
Aber gut. Der K702 zeigt sich von der ersten Sekunde an als recht gutmütiger Kopfhörer, der mit allem zurechtkommt. Ohne Equalizer klingt vor allem Rockmusik etwas schwach auf der Brust, dennoch ist hier weniger nachzuregeln als beim P7 von Bowers & Wilkins:
Hören wir doch – wie bei allen Kandidaten des Vergleichstests – die fünf von mir ausgewählten Titel mit dem K702 an:
- Nickelback: „Bottoms Up“ (vom 2011er Album „Here and Now“): Auch ohne Equalizer klingt der Rocksong akzeptabel, aber er hat zu viele Höhen, zu wenig Bass. Mit hinzugefügte Bässen und beschnittenen Höhen wird er rockiger und bekommt Volumen. Ob man nachjustiert, ist freilich Geschmacksache.
- FKA twigs: „Kicks“ (von 2014er Album „LP1“): Ohne Equalizer kann man den Song gut hören, die Stimme ist vielleicht etwas zu präsent, manche elektronische Klänge sind mir zu schneidend. Mit Equalizer ist alles besser. Hier zeigt sich auch, dass der K702 eine recht große Bühne aufzieht, in der sich die Instrumente schön im Raum abbilden – der große Bruder K812 macht das zwar noch etwas besser, aber für einen 150-Euro-Kopfhörer kann man da wirklich nicht meckern. Die vielfältigen Instrumente des Stücks lassen sich jedenfalls gut in ihrer Raumstaffelung orten.
- Elliot Moss: „Highspeeds“ (vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 2015): Auch hier zeigt der K702 keine Schwächen, die Instrumente werden gut abgebildet und separiert, die gedoppelte Stimme ist klar zu vernehmen.
- Tori Amos: „Happiness is a Warm Gun“ (ein Beatles-Cover auf dem 2001er Album „Strange Little Girls“): Seltsam, wie wenig bei dem viel zu basslastig abgemischten Track der Bass trotz Bassbetonung im Equalizer wummert – ja, er ist fast etwas dünn. Und das heißt wohl, dass der K702 bei tiefen Bässen etwas schwächelt und sie nicht so richtig gut wiederzugeben weiß.
- Foreigner: „Tooth and Nails“ (vom Album „Agent Provocateur“ aus dem Jahr 1984): Ohne meine Equalizereinstellungen ist dieser Song auf dem K702 ziemlich anstrengend anzuhören. Er ist zu schrill. Mit Equalizer kommt endlich auch etwas Bass in den Song und er wird wohlgefälliger. Zaubern tut der K702 hier aber nicht.
Fazit
Nachdem der AKG K702 länger bei mir unbenutzt herumlag und ich ihn für den Test wieder herausgezogen habe, war ich überrascht, wie gut der K702 alles in allem klingt. Die offene Bauweise sorgt für eine angenehme Bühne, der AKG ist anspruchslos und gibt fast alles gut wieder – ein bisschen Nachregeln mit Hilfe eines Equalizers tut ihm jedoch gut und macht ihn gefälliger. Mir kommt beim K702 der Bass leicht zu kurz, die Höhen und Mitten sind mir etwas zu ausgeprägt – aber es hält sich in Grenzen und ist eine Frage der Hörgewohnheiten. Nur im Tiefbassbereich zeigt sich, dass der K702 eben doch kein Profi-Kopfhörer ist, weil er ihn nicht allzu gut wiedergeben kann. Das ist beim Klang die einzig große Schwäche, die der Over-Ear–Kopfhörer zeigt.
Am meisten stört mich, dass der K702 nicht wirklich bequem ist. Man bekommt zwar keine heißen Ohren, aber die doch recht steifen Ohrpolster und das ungepolsterte Kopfband drücken bei längerem Hören etwas. Und das 3-Meter-Kabel ist von guter Qualität, aber oft auch nervig. Ich verstehe nicht, warum AKG nicht auch ein kurzes Kabel im Angebot hat – am besten mit Fernbedienung für Mobilgeräte, so dass man doch auch mal damit in der Wohnung herumlaufen kann.
Der K702 ist ganz klar ein Kopfhörer für zu Hause – nach außen dringt, der offenen Bauweise geschuldet, recht viel, außerdem ist die recht große Konstruktion nichts für den Transport. Eigentlich will der K702 an einen (Kopfhörer-)Verstärker gehängt werden, aber die Lautstärke auf meinem iPhone und iPad ist allemal ausreichend.
Der AKG K702 ist ein solider, ein gutmütiger Kopfhörer, bei dem man für den Preis nichts falsch machen kann. Aber meine große Liebe ist er nicht – dazu ist sein Klang ein bisschen zu brav, zu wenig prägnant, und dafür muss ein Kopfhörer außerdem bequemer sein.
Ulf Cronenberg
Und hier zu den anderen Seiten des Vergleichstests (wird noch ergänzt):
Hallo Ulf, ich habe noch den K-401 und mag ihn wegen seines offenen Klangs immer noch. Man kann das Kabel leider nicht wechseln (war aber natürlich noch günstiger als der K-702). Nach einem Wackler musste vor einem Jahr daher ein anderer Stecker angelötet werden. Beim Tragekomfort bin ich vom AKG System nicht so begeistert. Es ist mittlerweile ausgeleiert. Ich bin jedenfalls gespannt, wie Deine anderen Kopfhörer so bei Dir abschneiden und freue mich auf die weiteren Artikel. Viele Grüße, Markus
Hallo Markus,
das Tragesystem von AKG ist nichts für die Ewigkeit – ja, so sehe ich das auch. Und ja, sei gespannt, was noch kommt. Kleiner Teaser: Als Nächstes kommt wohl der beats-Kopfhörer dran …
Viele Grüße
Ulf